Mit Denkmalschutz kulturelles Erbe bewahren
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Denkmalimmobilien: Historische Unikate mit Chic und Charme
Für Schlagzeilen sorgte vor wenigen Wochen der publik gewordene Verkauf der Villa Thomas Manns im kalifornischen Pacific Palisades. Knapp 18 Millionen Dollar soll das geschichtsträchtige Haus kosten, in dem der Literatur-Nobelpreisträger von 1942 bis 1952 im Exil lebte. Aufgrund ihrer reizvollen Lage, hoch oben über dem Pazifischen Ozean auf einem 4.000 m² großen Großstück, ist die Immobilie äußerst begehrt. In unmittelbarer Nähe wird bereits eine Luxusherberge neu gebaut. Droht dem kulturhistorisch bedeutenden Gebäude nach seiner Veräußerung etwa das gleiche Schicksal? Muss es einem neureichen Prunkbau weichen? Denn unter Denkmalschutz steht die Villa nicht. Sie kann also verändert werden, Abriss eingeschlossen. Sollte das geschehen, gäbe es kein mit dem Schriftsteller verbundenes Haus, das als Gedenkstätte an ihn, sein Leben und Werk erinnert. Unglaublich, aber wahr.
Kulturelles Erbe pflegen und erhalten
Dabei ist das Interesse an Baudenkmälern enorm, wie die Besucherzahlen des jährlich stattfindenden „Tag des offenen Denkmals“ zeigen. Rund 4 Millionen nutzten im September 2016 die Gelegenheit, die bundesweit mehr als 8.000 teilnehmenden historischen Bauten, Parks und archäologischen Stätten zu besichtigen. Darunter auch zahlreiche denkmalgeschützte Gebäude in Privatbesitz. Mit Blick auf das geplante Europäische Kulturbaujahr 2018 betonte Bundesbauministerin Hendricks in ihrer Eröffnungsrede, dass es beim Denkmalschutz nicht allein um ideelle Werte gehe, sondern auch um eine materielle Seite. Denn eine verbindende Kraft könne sich nur dann entfalten, „wenn wir neben dem Diskurs auch in der Lage sind, Denkmäler zu erhalten und zu pflegen.“
Rund 1 Milliarde Euro stellt die Bundesregierung deshalb im kommenden Jahr mit den Programmen für Städtebauförderung zur Verfügung. Hinzu kommen erhebliche private Mittel. Nach Schätzungen des Deutschen Nationalkomittees für Denkmalschutz (DNK) und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) löst jeder Euro an öffentlicher Förderung bis zu 10 Euro Privatinvestitionen aus. Gelder, die angesichts der Vielzahl denkmalgeschützter Objekte, dringend benötigt werden.
Doch nicht nur der substanzielle Erhalt ist das Ziel von Denkmalpflege. Der Reiz und die Herausforderung besteht auch darin, das mit dem Gebäude verbundene historische Flair zu reinszeniert. Oftmals geht der Restaurierung eine mühevolle Detektivarbeit voraus, um Pläne, Zeichnungen und Dokumente ausfindig zu machen. Manches Mal werden sogar lokale Chronisten hinzugezogen.
Baudenkmal als touristischer Anziehungspunkt
Leipzig beispielsweise führt 15.000 Kulturdenkmale in seiner Denkmalliste, darunter ein umfassender Bestand an Gründerzeitarchitektur, barocke Bürgerhäuser, prächtige Villen und zeitgenössische Industriekultur, die zu architektonischen Entdeckungsreisen durch die Stadt einladen. Einer der Hauptanziehungspunkte für Touristen aus aller Welt ist die herausragend restaurierte Mädler-Passage in der Innenstadt. Erbaut zwischen 1912 und 1914 von Kofferfabrikant Anton Mädler, wurde das 140 Meter lange und 11.000 m² umfassende Schmuckstück selbst zu DDR-Zeiten als „bedeutender Passagenbau“ gewürdigt. Nach der Wende fanden sich Privatinvestoren, die das Gebäude aufwändig sanierten. Neben der Instand gesetzten, markanten Fassade aus hellem Naturstein, begeistert das Haus durch die detailgetreu rekonstruierten Treppenhäuser nach klassizistischem Vorbild. Darüber hinaus erhielt es sein Glockenspiel aus Meißner Porzellan zurück, das barocke Deckenfresko wurde wiederhergestellt und viele weitere dekorative Elemente sorgen für Authentizität. Durch das natürliche Licht, das durch das 140 Meter lange Glasdach in die Passage fällt, entstehen je nach Tageszeit magische Momente. Die Arbeit hat sich gelohnt: Heute ist die Mädler-Passage, mit ihrer Mischung aus exklusiven Geschäften und Büros im 1. Obergeschoss, eines der Architektur-Highlights der Stadt und fehlt in keinem Reiseführer. Angeblich soll die Immobilie in 2008 für 30 Millionen Euro an ein Bankhaus verkauft worden sein.
Wohnen wie der Alte Fritz mit modernem Komfort
Für Potsdam sind Denkmäler ebenso stadtbildprägend. Auf einer Fläche von 1.630 Hektar gibt es mehr als 3.000 Baudenkmäler und denkmalgeschützte Gärten, darunter die Parkanlagen von Sansoucci und Babelsberg. Seit 1990 gehört die Kulturlandschaft Berlin-Potsdam zum UNESCO Welterbe. Im März 2016 wurde der gesamte Stadtkern in den Denkmalschutzbereich aufgenommen. Neben den Anstrengungen der Öffentlichen Hand, die bau- und kulturhistorisch einmalige Szenerie zu erhalten, engagieren sich auch zahlreiche Privatinvestoren für die Revitalisierung von Baudenkmälern und beleben sie durch die Umnutzung zu Wohnimmobilien, wie etwa das „Palais de Potsdam“, das „Brockessche Palais“ und die „Galeriehäuser im Wilhelminischen Geviert“. Nostalgie-Liebhaber, und deren Zahl ist nicht gering, können dann wohnen „wie der alte Fritz“, jedoch mit dem Komfort des 21. Jahrhunderts.
Zahl der Nostalgie-Liebhaber nicht unerheblich
Nicht nur in Potsdam ist die Nachfrage nach Denkmalimmobilien derart hoch, dass es mittlerweile kaum noch Angebot gibt. Der Trend ist bundesweit zu beobachten. Und das nicht nur von Investorenseite, sondern auch im Hinblick auf die Wünsche mancher Kauf- und Mietinteressenten, die Wohnen mit dem „gewissen Etwas“ suchen.
So hat eine in 2015 von TNS Infratest im Auftrag der Immobiliengesellschaft DC Residential durchgeführten Trendstudie ergeben, dass es durchaus eine nennenswerte Zahl von Nostalgikern gibt: 14 % der befragten 1.402 Einwohner in den 7 größten Städten Deutschlands wünschen sich den Komfort eines Neubaus, gepaart mit klassischen Architekturelementen, wie kunstvolle Fassadengestaltung, Stuck, Parkett, Deckenornamenten und Türen mit schönem Profil. Zudem wird Wert gelegt auf eine zentrale Lage, eine gute Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe und ein positives Image des Stadtteils. Stimmen die genannten Parameter, ist man durchaus bereit höhere Kauf- bzw. Mietpreise zu akzeptieren.
Schlafende Dornröschen sind in A- und B-Lagen begehrt
Dass Denkmalschutz und die Schaffung von Wohnraum im Einklang zueinander stehen, zeigt sich in Berlin-Charlottenburg, wo auf dem 4,6 Hektar großen Areal des ehemaligen städtischen Bürgerhaus-Hospital bis 2018 ein neues Wohnquartier mit 600 Eigentumswohnungen für rund 200 Millionen Euro entsteht. Dazu wird der vor 100 Jahren errichtete Klinikaltbau behutsam modernisiert und für Wohnnutzung umgebaut. Sukzessive kommen weitere Wohngebäude hinzu, die sich architektonisch optimal in die umgebende Bebauung und den Park mit Wasserbassins einfügen. Wo einst Waisen spielten und sich Offiziere des 1. Weltkriegs erholten, wird sich in wenigen Jahren ein zukunftsorientiertes Stadtquartier befinden. Auch im Herzen des Ruhrgebiets, in Oberhausen, belebt man ein Denkmal wieder: Nachdem das 1892 erbaute Lyzeum im beliebten Marienviertel. 15 Jahre dem Verfall preisgegeben war, wird das Schulgebäude seit Frühjahr 2016 unter Denkmalschutzaspekten restauriert und für 23 Eigentumswohnungen umgerüstet. Der Zuspruch ist groß. „Endlich tut sich was“, ist der Tenor.
Zwischen 73 m² und 160 m² Fläche werden die hochwertig ausgestatteten Wohnungen nach ihrer Fertigstellung Mitte 2017 bieten. Alle barrierefrei, erreichbar mit dem Aufzug, 21 davon mit Balkon oder Terrasse. Über fehlende Nachfrage kann sich der Projektentwickler nicht beklagen. Mehr als die Hälfte der Einheiten, die rund 2.781 Euro/m² kosten, seien verkauft. Davon viele an Selbstnutzer, die sich in den Charme des Denkmals verliebt hätten. Die Wahl ist nachvollziehbar, denn modern wohnen kann man überall – mit Flair nur in Denkmälern.
Zentrale Aussagen:
- Denkmalschutz hat seinen Preis. Rund 1 Milliarde Euro stellt die Bundesregierung deshalb im kommenden Jahr mit den Programmen für Städtebauförderung zur Verfügung.
- Nicht nur der substanzielle Erhalt ist das Ziel von Denkmalpflege. Die Herausforderung besteht auch darin, das mit dem Gebäude verbundene historische Flair zu reinszenieren.
- Ein weiteres Ziel ist es, den Denkmalschutz und die Schaffung von Wohnraum im Einklang zu bringen. Projekte in Berlin, Potsdam und Leipzig machen es vor.
Quellen:
- Text: Dagmar Hotze, Hamburg
- Bild: Shutterstock