FinTech Boom - Aktuelle Markstudie prognostiziert starkes Wachstum
Bundesfinanzministerium konstatiert FinTech-Boom
Keine Zeit zum Lesen? Hier eine kurze Zusammenfassung:
- Ziel der Studie: nach wissenschaftlichen Standards erhobene Daten für den deutschen FinTech-Markt bereitzustellen.
- Fintech-Markt in Deutschland weist hohes Wachstums- und Entwicklungspotenzial auf.
- Für FinTechs und Investoren ist Deutschland eines der attraktivsten Länder weltweit.
- Banken sehen FinTechs als Ergänzung und Chance, um Innovation und Digitalisierung voranzutreiben, nicht als Bedrohung.
- Bundesregierung und BaFin unterstützen die neuen Finanzdienstleister, wollen Überregulierung vermeiden; für gleiches Risiko soll es jedoch gleiche Regulierung geben.
Die erste umfassende Studie zum FinTech-Markt in Deutschland liegt vor. Beauftragt vom Bundesfinanzministerium, präsentierten der Parlamentarische Staatssekretär beim Finanzminister Jens Spahn und Prof. Dr. Lars Hornuf von der Universität Trier am 22. November 2016 die Ergebnisse der Untersuchung. Bewertet wurde der deutsche FinTech-Markt im Zeitraum von 2007 bis 2015 und für acht FinTech-Bereiche wurde die zukünftige Entwicklung in den Jahren 2020, 2025 und 2035 eingeschätzt. Die Studie umfasst insgesamt fast 100 Seiten, das unterstreicht die Bedeutung von FinTechs für die Finanzbranche. Wenn in der Branche von Zukunft und Digitalisierung die Rede ist, kommt niemand mehr an den modernen Finanztechnologien vorbei.
Was zeichnet FinTechs aus?
FinTechs bieten über das Internet Finanzdienstleistungen an. Bei den FinTechs handelt es sich größtenteils um Startups. Die jungen Finanzdienstleister bringen neue Angebote auf den Markt, die schneller, innovativer, moderner und trendiger sind als die der alteingesessenen Banken. Die Finanz-Start-ups zeichnen sich durch flache Hierarchien, die Nutzung neuester Technologien, unkomplizierte Prozesse und unkonventionelle Lösungen aus. Die Geschäftsideen drehen sich ums günstig Geld einsammeln, investieren, anlegen, ausgeben, überweisen, kontrollieren, verleihen oder verschenken. Es gibt FinTechs für mobiles Bezahlen, mobiles Banking, Plattformen für Crowdlending, Crowdinvesting und digitales Leasing sowie Anlage-Roboter. Die Lösungen der Startups gehen mit weniger Bürokratie einher, deren technologische Anwendungen sind benutzerfreundlicher und kundenorientierter als die umständlichen und kostspieligen Verfahren der „alten“ Finanzwelt.
Überblick über den deutschen Markt
Gemäß der Analyse ist der deutsche FinTech-Markt nach Großbritannien der zweitgrößte in Europa. Ab 2010 betrugen die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten für den innovativen Markt etwa 150 Prozent. Im Februar 2016 waren 433 Startups im FinTech-Bereich in Deutschland vertreten, 346 davon boten aktiv Leistungen an. Die meisten Unternehmen wurden in den Ballungsräumen Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Dortmund und Dresden gegründet. Das Marktvolumen der deutschen Startups betrug 2015 ca. 2,2 Mrd. Euro. Dabei wurden die Segmente Crowdfunding, Kredite und Factoring, Social Trading, Robo Advice sowie Anlage und Banking in die Betrachtung einbezogen. Eine einheitliche Definition, was zum FinTech-Markt gehört, gibt es bisher nicht. Zu FinTechs zählen im Allgemeinen Firmen, die Bankdienstleistungen, Versicherungen und sonstige Finanzdienstleistungen anbieten oder an Dritte vermitteln. Der Markt wird von den Autoren in vier große Bereiche eingeteilt:
- Finanzierung, untergliedert in Crowdfunding sowie Kredite/Factoring,
- Vermögensmanagement mit Social Trading, Robo Advice, Personal Financial Management und Anlage/Banking,
- Zahlungsverkehr mit alternativen Bezahlmethoden und
- sonstige FinTechs, z. B. Versicherungen, Vergleichsportale.
Die Studie konzentriert sich auf die Bereiche Finanzierungen und Vermögensmanagement, bei denen die größten Wachstumspotenziale vermutet werden. Die meisten FinTech-Unternehmen in Deutschland bieten ihre Dienstleistungen im Zahlungsverkehr, spenden- und gegenleistungsbasierten Crowdfunding, über Suchmaschinen und Vergleichsportale sowie Plattformen an. Ein Ergebnis der Studie lautet: Deutschland holt weltweit auf, auch bei der Gewinnung von Risiko-Kapital für die FinTech-Firmen.
Trends in der Branche
2015 setzten die Crowdfunding-Unternehmen 272 Mio. Euro in Deutschland um, der größte Anteil dessen wurde über Crowdlending realisiert. Mit einem 17-prozentigen Anteil war das Crowdinvesting das zweitgrößte Segment. Auch andere Wirtschaftszweige profitieren über das Beteiligungskapital, das jungen Firmen bereitgestellt wird, vom dynamischen Wachstum des Crowdinvestings. Mit mehr als einer Verzehnfachung verzeichneten die Robo Advisors die größte durchschnittliche jährliche Marktwachstumsrate. Auch Social Trading und Crowdinvesting wiesen jährliche Wachstumsraten im dreistelligen Bereich auf. Trotz der beeindruckenden Zahlen ist festzustellen, dass der Marktanteil der FinTechs insgesamt bisher noch verschwindend gering ist. Traditionelle Kreditinstitute und Finanzdienstleister beherrschen nach wie vor den Finanzmarkt. FinTechs werden indes insbesondere von jungen Nutzern und Akademikern immer stärker angenommen.
Konkurrenz oder Kooperation?
Abzuwarten bleibt, welche der derzeit existierenden Unternehmen in den nächsten Jahren wachsen und profitabel werden können. Auch wenn in den Medien oft von einem Kampf der „ großen, schweren Tanker“ der konventionellen Finanzdienstleister gegen die „leichten Schnellboote“ der FinTechs die Rede ist, hat die Studie derartiges nicht bestätigt. Zwar haben sich viele mittlere und kleinere Banken zu wenig Gedanken gemacht, wie sie den komplexen Herausforderungen der Zukunft durch FinTechs begegnen wollen, beide Seiten arbeiten jedoch bereits eng zusammen. 87 Prozent der befragten Banken gaben an, mit Startups zu kooperieren und auch in Zukunft eine Kooperation anzustreben. Viele FinTechs ergänzen vorhandene Leistungen und liefern Banken das technische Know-how. Die Kooperation reicht bisweilen so weit, dass die Geschäftskonzepte ganz von klassischen Banken übernommen werden. Selbst wo es echte Konkurrenzsituationen wie beim Crowdlending gibt, sind Banken bei der Abwicklung der Kreditgewährung beteiligt bzw. vermitteln FinTechs ebenso Bankkredite. Meist gestaltet sich die Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen: Banken erhalten Zugang zu pfiffigen Ideen und technologischem Fortschritt, FinTechs zu Sicherheitsstandards und Neukunden, die sonst teuer und aufwendig gewonnen werden müssten.
Regulierung als Wachstumsbremse?
Die Studie bringt zum Ausdruck, dass derzeit von Startups und etablierten Anbietern aus der FinTech-Branche keine systemischen Risiken ausgehen. Für FinTechs gelten die gleichen Pflichten wie für klassische Kreditinstitute. Die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG), Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG), Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) oder dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sind jedoch für junge Firmen nur sehr schwer umzusetzen. Banken dagegen besitzen das notwendige Kapital und die Erfahrungen, um beispielsweise Haftungsregelungen durchzusetzen. Außerdem gelten im gleichen Tätigkeitsfeld von den Startups teilweise unterschiedliche Regeln, die sich aus Rechtsnormen wie dem Kleinanlegerschutzgesetz (KASG) oder Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) ergeben. So werden beim Crowdinvesting partiarische und nachrangige Darlehen bei den Ausnahmen von der Prospektpflicht gegenüber Genussrechten und stillen Beteiligungen bevorzugt. Für Crowdlending-Plattformen fehlen Vorschriften, die bei Kreditinstituten üblich sind, dies kann zu Gefahren für Schuldner wie Anleger führen. Der Gesetzgeber muss jedoch verhindern, durch Übertreibungen bei der Regulierung das Geschäft von Startups zu erschweren. Die Regierung hat deren Bedeutung bereits erkannt und über 20 neue Stellen für FinTechs in der BaFin und ein neues Referat für digitale Finanzdienstleistungen im Bundesfinanzministerium geschaffen.
Ausblick
Der deutsche Startup-Markt für Finanztechnologien wuchs innerhalb nur eines Jahres äußert dynamisch mit Raten von knapp 290 Prozent im Segment Finanzierung und 480 Prozent im Segment Vermögensmanagement. Die rasanten Wachstumsraten der letzten Jahre schließen nicht aus, dass sich die Wirtschaft ähnlich schnell wie bei Online-Hotelreservierungen oder in der Musikindustrie weiterentwickeln wird. Aufgrund von Erfahrungswerten bei der Durchsetzung des Online-Bankings prognostizierten die Autoren der Studie die potenzielle Marktdurchdringung von FinTech-Unternehmen. Im Basisszenario könnte sich ihr Marktvolumen 2020 auf 58 Mrd. Euro erhöhen. 2025 wird mit einer Steigerung auf 167 Prozent und ca. 97 Mrd. Euro Volumen gerechnet sowie 2035 noch einmal mit einem Zuwachs auf ungefähr 148 Mrd. Euro. Die Prognosen sind jedoch mit hoher Unsicherheit behaftet, so dass auch ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario mit weit abweichenden Zahlenangaben enthalten ist. Die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen, daher ist der deutsche FinTech-Markt für internationale Investoren sehr interessant.
Fazit
Ein entscheidender Vorteil der FinTechs besteht darin, finanzielle Vorgänge zu digitalisieren und damit zu beschleunigen. Das bedeutet eine wesentliche Senkung der Transaktions-, Personal- und Sachkosten in der Finanzwirtschaft. Die Autoren schreiben, dass Angebote, die es bei konventionellen Finanzanbietern bereits gibt, aber aufgrund der Kostenstruktur erst ab bestimmten Anlage- und Kreditvolumina nachgefragt werden können, durch Digitalisierung herunterskaliert werden. Das heißt, dass beispielsweise Robo- Advisors oder Crowdfunding, sei es als Beteiligung an einem Startup oder an Immobilienprojekten, neue Zielgruppen erschließen. Dadurch erhalten auch Kleinanleger die Möglichkeit, von fortschrittlichen Geschäftsideen und lukrativen Immobilien zu profitieren. Größere Bevölkerungsschichten erhalten so Zugang zu Finanzdienstleistungen, die ihnen bisher verschlossen waren. Ob sich diese Startup-Branche so entwickelt wie prognostiziert, hängt entscheidend von den regulatorischen und technologischen Rahmenbedingungen ab. Gefragt sind Technologien, die Transaktionen sehr sicher als auch kostengünstig gestalten. Wie in allen Branchen mit einem hohen Start-up-Anteil ist davon auszugehen, dass sich nicht jedes FinTech am Markt durchsetzen kann. Jedoch warten schon viele neuartige Ideen darauf, in der Praxis realisiert zu werden.