Wie Fintechs die Bankenbranche auf den Kopf stellen
FinTech-Unternehmen befinden sich weltweit auf dem Vormarsch. Mit ihren innovativen Lösungsansätzen, die ein Produkt des modernen Zeitgeists sind, werden sie zunehmend zu ernsten Konkurrenten von Banken und anderen Finanzdienstleistungsunternehmen. Dieser Befund geht aus zahlreichen Studien hervor, die dem FinTech-Bereich eine weitestgehend positive Zukunftsbilanz ausstellen.
Definition und Abgrenzung zu klassischen Operateuren des Finanzsektors
Der Begriff FinTech ist ein Kürzel für Finanztechnologie. Unter diesem Sammelbegriff werden verschiedene moderne Technologien subsumiert, die dem Finanzbereich zuzuordnen sind. Ein FineTech-Unternehmen, das häufig auch schlicht als FinTech bezeichnet wird, ist also ein Unternehmen, das moderne, in der Regel internetbasierte Technologien im Finanzbereich anbietet. Häufig handelt es sich dabei um kleinere Start-ups. Teile der wissenschaftlichen Literatur sehen auch große Internetgiganten wie Google, Facebook, Apple, Alibaba oder Amazon als FinTech-Unternehmen im weitesten Sinne an (vgl. Studie der Universität Münster). Das Bundesministerium der Finanzen geht in einer aktuellen Studie, welche das Marktvolumen deutscher FinTech-Unternehmen für den Zeitraum von 2007 bis 2015 untersucht, davon aus, dass in der Bunderepublik mehr als 400 FinTech-Unternehmen tätig sind. Deutschland befindet sich damit europaweit auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien.
Typisch für FinTechs ist, dass sie Unbundling betreiben. Sie konzentrieren sich auf lediglich einen der typischen Aufgabenbereiche klassischer Finanzdienstleister. Häufige Konzentrationen sind die Sektoren Beratung, Anlegen, Absicherung, Zahlen, Vorsorge und Finanzierung. Ebenfalls gängig sind FinTech-Unternehmen, die Devisenhandel oder Einlagengeschäfte betreiben.
Auswirkungen von FinTech auf klassische Finanzdienstleister
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums betrug das Marktvolumen der deutschen FinTechs in den Marktsegmenten Finanzierung und Vermögensmanagement ca. 2,2 Mrd. €. Von diesem Betrag wurden 270 Mio. € durch Crowdfunding-Plattformen erwirtschaftet. Weitere 360 Mio. € sind auf Social-Trading-Plattformen und Anbieter von Robo-Advice zurückzuführen. Im Zahlungsverkehr machten FinTech-Unternehmen einen Marktanteil von 17 Mrd. € aus. Horvath und Partner bescheinigt insbesondere FinTech-Start-ups eine hohe Kundenorientierung, die als wesentlicher Erfolgsfaktor eingestuft wird. Die Kundenorientierung schlägt sich in leichter Verständlichkeit, vollautomatisierten Abläufen, Schnelligkeit, günstigen Preisen, Testanwendungen und hoher Nutzerfreundlichkeit nieder. Aufgrund dieser Attribute stufen die Unternehmensberater FinTechs als ernstzunehmende Konkurrenz für klassische Finanzdienstleister ein. Diese können aus der Kundenorientierung lernen und somit die Kundenzufriedenheit steigern, so die Studie.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist die durch FinTech geschaffene Preistransparenz. Insbesondere Vergleichsportale versorgen Kunden von Finanzdienstleistern mit wichtigen Informationen. Konditionen, Preise und weitere Faktoren können einfach und schnell verglichen und der ideale Vertragspartner identifiziert werden. In Verbindung mit themenspezifischen Foren und sozialen Netzwerken, die beide einen direkten Informationsaustausch ohne hohe Transaktionskosten ermöglichen, wird die zwischen Dienstleister und Kunde natürlicherweise bestehende Informationsasymmetrie verringert. FinTechs machen Bankkunden kritischer und vergleichender. Werden die von ihnen gestellten Bedürfnisse nicht befriedigt, tendieren sie eher zu einem Wechsel. Kunden von Banken und anderen Finanzdienstleistern kommt damit eine höhere Verhandlungsmacht zu. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Universität Münster in einer entsprechenden Studie.
Besonders vielversprechende Innovation – Crowdfunding, Crowdinvesting und Crowdlending
Crowdfunding, Crowdinvesting und Crowdlending wird auf einschlägigen Internetplattformen durchgeführt. Hierbei treten die Marktteilnehmer als Mediäre auf. Sie ermöglichen es Kapitalsuchenden ohne die Einschaltung von Banken liquide Mittel zu beschaffen. Wie sich aus der bereits zitierten Studie der Universität Münster ergibt, wandelt sich damit das klassische Darlehen von einer Notwendigkeit zu einer bloßen Option um. Hierauf haben Banken reagiert, indem sie eigene Crowdfunding-Plattformen für soziale Vorhaben unterstützen.
Beispielhafte Zuordnung von Innovationsthemen; Quelle: Steinbeis-Hochschule-Berlin
Zukunftsprognose – Ersetzen FinTechs das klassische Bankwesen?
FinTech-Unternehmen stehen seit ihrer zunehmenden Verbreitung verstärkt im Fokus von Wissenschaft und Praxis. Aufgrund ihrer Innovation wird den entsprechenden Unternehmen ein hohes Zukunftspotenzial zugesprochen. Einige Stimmen der Presse ordnen FinTech sogar als disruptive Technologie ein, die die bestehenden Finanzdienstleistungen in ihrer klassischen Form nahezu vollständig ersetzen kann. Schon Bill Gates sagte “Banking is necessary, banks are not”.
Dem tritt die wissenschaftliche Literatur entgegen. Das Bundesfinanzministerium und die Universität Münster sehen FinTech-Unternehmen zwar als durchaus ernst zu nehmende Konkurrenten der klassischen Finanzdienstleister. Allerdings wird nicht davon ausgegangen, dass es in nächster Zeit zu einer Substitution kommen wird. Gleichzeitig sei davon auszugehen, dass FinTechs bis zum Jahr 2020 30 % des weltweiten Bankenumsatzes an sich reißen können.