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Mieterstrom: Mit dem richtigen Konzept geht was

Wie Immobilieneigentümer mit Mieterstrom zusätzlich Geld verdienen

Mieterstrom: Mit dem richtigen Konzept geht was

Endlich ist der Sommer da. Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen und auf den Häusern bruzzeln Dachpfannen und -ziegel vor sich hin. Was ließe sich nicht alles mit der kostenlosen Energie anfangen, wenn man sie konsequent nutzen würde!? Wären alle Wohngebäude in Deutschland, gleich ob Eigenheime oder Mietshäuser, mit Photovoltaik-Modulen bestückt, ließen sich zig Milliarden Kilowattstunden Solarstrom gewinnen. Die Stadt Osnabrück hat 2008 untersuchen lassen, welcher jährliche Stromertrag erzielt werden könnte, wenn alle 27.000 Dächer der insgesamt 70.000 Gebäude mit PV-Anlagen ausgestattet würden. Das Ergebnis spricht für sich: Rund 250 Millionen Kilowattstunden wären machbar - soviel wie die 165.500 Einwohner pro Jahr an Energie verbrauchen. Seitdem ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Bis Mitte 2016 wurden über 1.000 PV-Anlagen bei Gewerbetreibenden installiert und etliche Dächer von Privateigentümern bestückt. Zu einer solartechnischen Erschließung von Mietshäusern ist es bislang jedoch nicht gekommen. Dazu sind Mieterstrommodelle (bisher) ein zu vertracktes Thema.

Gesetzesdschungel statt Transparenz

Vor allem der Wirrwarr um Entgelte und Umlagen macht Mieterstrom unsexy. Technisch lassen sich Solaranlagen für die Erzeugung von Mieterstrom relativ leicht realisieren, wenn die bauliche Situation gegeben ist. Auch die Finanzierung ist nicht der eigentliche Pferdefuß. Was die Sache kompliziert macht, ist der Anlagenbetrieb. Denn wer wem wie Energie in Deutschland liefert, ist eine Wissenschaft für sich. Daran ändert auch der kürzliche Beschluss des Bundeskabinetts zum Mieterstromgesetz wenig. Hiernach müssten Wohnungsunternehmen nach wie vor für die Energieerzeugung Gewerbesteuer zahlen. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind für sie hingegen steuerfrei. Wie lässt sich hier Transparenz herstellen, damit es zu keiner „Vermischung“ kommt? Außerdem wird das Einzelgebäude betrachtet und nicht, wie es sinnvoller wäre, das gesamte Quartier. Dies widerspricht dem Gedanken eines intelligenten Stromnetzes (Smart Grid), das für die Energiewende notwendig ist. Zudem geht es nicht um solare Energie allein, sondern auch andere Arten. Und dann ist da noch die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von aktuell 6,88 Cent/kWh, die Mieter zahlen müssten. Letztlich wären sie Eigentümern auch mit dem neuen Mieterstromgesetz nicht gleichgestellt, weil diese sich günstiger mit regenerativ erzeugter Energie versorgen können.

Das Geld liegt auf dem Dach

Dabei sind Mieter dem Thema gegenüber durchaus aufgeschlossen, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Energie- und IT-Unternehmens Lichtblick zeigt: 66 % können sich demnach vorstellen, Mieterstrom zu beziehen. Zudem zeigen realisierte Mieterstrom-Projekte, dass sich Mieterstrom für Gebäudeeigentümer rechnet. Denn auf dem Dach schlummern wahre Schätze. Die Pacht etwa, die die Dachvermietung einbringt, ist eine zusätzliche Einnahme, die je nach Anlagengröße eine fünfstellige Summe ausmachen kann. Außerdem ist Mieterstrom ein attraktives Vermietungsthema und trägt zur Wertsteigerung der Immobilie bei. Diese Pluspunkte haben einige Wohnungsunternehmen erkannt und sind frei nach dem Motto „Geht nicht? Gibt’s nicht!“ das Thema angegangen.

Wohnen und Energie als Teamplayer

Eines der herausragendsten Mieterstrom-Projekte wurde 2016 im Münchener Stadtteil Aubing realisiert. Hier hat GVD Immobilien 103 geförderte Mietwohnungen mit einer Kombination aus PV-Anlage, Blockheizkraftwerk und Batteriespeicher realisiert. Zuständig für das 100 % umweltfreundliche Energiekonzept inklusive Planung und Installation war Polarstern, ein konzernunabhängiger Öko-Energieversorger, der nach Fertigstellung auch den laufenden Betrieb und die kontinuierliche Wartung der Anlagen übernimmt und darüber hinaus die monatliche Abrechnungsprozedur mit den Mietern erledigt. Der Clou der Lösung ist die strikte Trennung der Zuständigkeiten: Das Wohnungsunternehmen macht „Wohnen“, der Energieversorger kümmert sich um „Energie“. So kann es zu keinem Durcheinander kommen, denn jeder konzentriert sich auf das, was der jeweilige Geschäftszweck ist und gerät so abgabentechnisch und steuerrechtlich nicht auf Glatteis.

Mieterstrom sexy machen

Die Entscheidung für das Mieterstrommodell ist wohl überlegt, denn durch die Stromproduktion vor Ort sparen die Mieter bares Geld: Um 10 % ist ihr Stromtarif günstiger, als der von herkömmlichen Anbietern. Zudem sichert sich die GVD langfristig niedrige Mietnebenkosten. Und die spielen auf dem angespannten Münchener Wohnungsmarkt, wo es kaum bezahlbaren Wohnraum gibt und jeder Cent pro Quadratmeter zählt, eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus haben die Mieter die volle Kontrolle darüber, welche Energie sie wann wofür verbrauchen und was es kostet. Kurzum: Mieterstrom ist durch die Partnerschaft mit Polarstern sexy geworden.

Gegründet wurde Polarstern 2011 von den drei Enthusiasten Florian Henle, Jakob Assmann und Simon Stadler, die seitdem zahlreiche Bauherren bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten begleitet haben. In letzter Zeit käme das Thema richtig in Fahrt, sagt Henle. Dazu beigetragen hätte auch die mediale Öffentlichkeit, die der Änderung des Mieterstromgesetzes zuteil wurde. Auch wenn das Ergebnis nicht in allen Punkten optimal sei. Hauptsache, Mieterstrom komme aus der Nische. Denn hätten Immobilieneigentümer erst einmal das ganzheitliche Konzept verstanden, das hinter Mieterstrom stecke, wären sie relativ schnell davon zu überzeugen. Zumal es für die drei Grüner nicht nur um die günstige Versorgung mit grüner Energie geht. Auch Elektromobilität und Smart Metering ist für sie mit dem Thema Mieterstrom verbunden.

Immer auf der Sonnenseite

Beim Mieterstromprojekt „SonnenBurg“ in der 25.000 Seelen-Gemeinde Burg im dünn besiedelten Jerichower Land, geht es weniger um Sexiness als darum, kostengünstiges und attraktives Wohnen zu bieten. Denn immer mehr Einwohner kehren der Gegend nördlich von Magdeburg den Rücken. 16 % der Wohnungen in der Region stehen leer. Wer hier als Wohnungsunternehmen auskömmlich Wirtschaften will, muss sich etwas einfallen lassen. Wie die Burger Wohnungsgenossenschaft (BWG), die in Zusammenarbeit mit den örtlichen Stadtwerken und unter Beteiligung der Mieter in 2015 zwölf Mehrfamilienhäuser mit 35 PV-Anlagen ausgerüstet hat, um einerseits preisgünstigen Strom bieten zu können und andererseits zusätzliche Pachteinnahmen zu generieren.

Die Rechnung ist für alle Beteiligten aufgegangen: Die BWG erhält für die auf 20 Jahre verpachteten Dachflächen eine stattliche Zusatzeinnahme. Die Sonnenburger Mieter profitieren davon, dass sie ihren Strom für die Pachtdauer zum Festpreis beziehen. Für die Stadtwerke wieder rechnet sich das Konstrukt, weil ihnen nach dem EEG für die Einspeisung überschüssig produzierten Stroms ins Netz eine Vergütung zusteht. Darüber hinaus sind die Mieter über den eigens dafür gegründeten Verein „Bürgersparen“ an den PV-Anlagen beteiligt und erhalten eine attraktive Verzinsung. So kann Mieterstrom gelingen - vorausgesetzt es gibt klar geregelte Zuständigkeiten. Für ihren Weitblick wurden die Partner in 2016 mit dem Deutschen Solarpreis und dem Energy Award ausgezeichnet.

Mieterstrom weltweit im Aufwind

Nicht nur in Deutschland kommt Mieterstrom langsam in Fahrt. Auch auf der europäischen Ebene sucht man nach schlanken Lösungen. So hat die International Union of Tenants in Kooperation mit der European Consumer Organisation im März 2017 ein Positionspapier zum Thema Mieterstrom veröffentlicht, worin sie der Politik einige Empfehlungen mit auf den Weg gibt. In Finland ist mit „Eko-Viikki“ das erste Stadtquartier entwickelt worden, das Mieterstrom in sein Energiekonzept und die Infrastruktur einbezieht. In Australien mischt das Start-up „Matter“ zur Zeit den Energiemarkt mit seinem internetbasierten Mieterstrommodell auf. Sicherlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Ökostrom-Spezialist Elon Musk Mieterstrom entdecken. Mit dem Kauf von SolarCity im vergangenen Jahr wäre der Grundstein dafür jedenfalls gelegt. Falls es so kommt, könnte richtig die Post abgehen.


Quellen:

Mieterstrom

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