Alle unter einem Dach – moderne Wohnform Mehrgenerationenhaus
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Während es vor einigen Jahrzehnten noch üblich war, dass die Großeltern mit ihren Kindern, den Enkeln oder sogar Urenkeln zusammenlebten, wohnen heutzutage die wenigsten Familien mit mehr als zwei Generationen im selben Haus. Dabei stellen eine moderne Arbeitswelt, die auf Mobilität und Flexibilität setzt, und der demografische Wandel unsere Gesellschaft mehr denn je vor neue Herausforderungen. Jüngere Familien haben häufig Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Kind und Beruf, viele ältere Menschen möchten hingegen noch aktiv am Leben teilnehmen, sich engagieren und aktiv ihre Fähigkeiten einbringen. Als Antwort auf diese Entwicklungen hat sich – gerade in den letzten Jahren – eine Wohnform etabliert, die sich den veränderten Strukturen anpasst und im Grunde das Prinzip der Großfamilie neu interpretiert: das Mehrgenerationenhaus.
Gemeinsam statt einsam – das Konzept des Mehrgenerationenhauses
Hierbei handelt es sich um ein Haus, in dem Menschen verschiedener Altersgruppen – und häufig auch unterschiedlicher sozialer Herkunft – ganz bewusst zusammenleben. Jeder Bewohner hat seine eigenen Räumlichkeiten und Platz für Privatsphäre, daneben gibt es aber auch öffentliche Räume, die für Treffen oder bestimmte gemeinsame Aktivitäten genutzt werden können. So wie einst die einzelnen Mitglieder einer Großfamilie unter einem Dach wohnten und sich gegenseitig unterstützten, sind auch im Mehrgenerationenhaus die Bewohner füreinander da. Sie helfen sich im Alltag und leben nach dem Prinzip des Gebens und Nehmens; dabei bringt jede Generation ihre spezifischen Stärken mit ein.
Soziales Engagement ausdrücklich erwünscht
Beim Konzept des Mehrgenerationenhauses steht das soziale Miteinander und die nachbarschaftliche Hilfe im Mittelpunkt – davon profitieren alle Bewohner. Die jüngeren Menschen helfen den älteren Bewohnern beispielsweise beim Einkaufen oder sie übernehmen bei Bedarf kleinere Pflegedienste. So können die betagteren Menschen trotz etwaiger körperlicher Einschränkungen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben, sie haben regelmäßig soziale Kontakte und vereinsamen nicht. Aber auch für die jüngeren Bewohner hat das generationsübergreifende Wohnen Vorteile: Die Senioren haben beispielsweise Zeit, die Kinder von Berufstätigen zu betreuen und ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen. Die Älteren geben ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen an die Jüngeren weiter, sie werden gefordert, bleiben fit und lernen dabei gleichzeitig viel über die nachfolgenden Generationen.
Bauliche Anforderungen: Wie sieht ein Mehrgenerationenhaus aus?
Ein Mehrgenerationenhaus muss prinzipiell keinem bestimmten Bautyp angehören: Es kann sich dabei um einen eigens dafür entwickelten Neubau handeln, das generationsübergreifende Wohnen ist aber grundsätzlich auch in einem Bestandsgebäude möglich.
Aufgrund der besonderen Funktion muss eine solche Immobilie allerdings bestimmte bauliche und architektonische Voraussetzungen erfüllen. So ist es beispielsweise wichtig, dass Wohneinheiten in unterschiedlichen Größen vorhanden sind – schließlich sollen hier Alleinstehende, Paare und Familien mit Kindern leben. Neubauten werden daher häufig nutzungsneutral errichtet, das heißt, die Wohnungen lassen sich ohne großen baulichen Aufwand nachträglich noch den Bedürfnissen der Bewohner anpassen. Außerdem verfügt ein Mehrgenerationenhaus immer über Gemeinschaftsräume – diese werden nach vereinbarten Regeln genutzt und fördern den sozialen Kontakt und den Austausch untereinander.
Barrierefreiheit – ein Muss im Mehrgenerationenhaus
Da Mehrgenerationenhäuser vor allem den besonderen Anforderungen älterer Menschen gerecht werden müssen, spielt zudem die Barrierefreiheit eine entscheidende Rolle. Schließlich soll jeder Bewohner selbstbestimmt und theoretisch auch ohne fremde Hilfe leben können. Ausreichend große Räume, die problemlos zugänglich sind, ein entsprechend ausgestattetes Badezimmer und eine sichere und funktionale Kücheneinrichtung – das sind nur einige Faktoren, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. In der Regel sind es die Erdgeschosswohnungen, die so gebaut werden, dass sie den barrierefreien und seniorengerechten Standards entsprechen.
Modernes Wohnen für jedes Alter
Immobilien ganz bewusst als Mehrgenerationenhäuser zu nutzen, ohne dass die Bewohner ein familiäres oder verwandtschaftliches Verhältnis zueinander haben, ist ein relativ junges Konzept. Die meisten Projekte existieren erst seit wenigen Jahren, daher verfügen die Häuser normalerweise über eine komfortable Ausstattung. Hierzu gehören beispielsweise eine moderne Haustechnik, eine gute Heizungsanlage sowie eine optimale Wärmeisolierung, die die Energiekosten gering hält – einige Gebäude verfügen sogar über eine eigene Photovoltaikanlage.
Für wen eignet sich das generationsübergreifende Wohnen?
Grundsätzlich kann jeder in einem Mehrgenerationenhaus leben. Wer sich für diese Wohnform entscheidet, sollte sich allerdings darüber bewusst sein, dass er gewisse Pflichten zu erfüllen hat. Das Konzept des Mehrgenerationenhauses besteht schließlich darin, sich in der Gemeinschaft aktiv zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Selbstverständlich kann man sich auch in seine privaten Räume zurückziehen, ein grundsätzliches Interesse am gemeinschaftlichen Miteinander und am Austausch mit den Mitmenschen sollte aber in jedem Fall vorhanden sein. Da in einem Mehrgenerationenhaus viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, Interessen, Erfahrungen und Meinungen aufeinandertreffen, ist außerdem soziale Kompetenz und die Bereitschaft zur Konfliktbewältigung erforderlich.
Im Überblick: Welche Vorteile bieten Mehrgenerationenhäuser?
- Gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Alltag
- Soziale Kontakte und gemeinsame Aktivitäten
- Bewahrung der Unabhängigkeit dank eigener Räumlichkeiten
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Angebote wie Kinderbetreuung
- Seniorengerechtes Wohnen im Alter dank Betreuungsangebote und Barrierefreiheit
Zentrale Begegnungsstätten für Jung und Alt
Der Kerngedanke des Mehrgenerationenhauses liegt im sozialen und nachbarschaftlichen Miteinander und im aktiven Austausch der unterschiedlichen Altersgruppen. Dies entspricht auch der Definition der Politik, der zufolge es sich bei Mehrgenerationenhäusern allerdings weniger um Wohnimmobilien, sondern vielmehr um zentrale Begegnungs- und Aktionsstätten für ganze Kommunen handelt. Die Häuser geben den Menschen einen öffentlichen Raum für gemeinsame Aktivitäten, sie bieten Unterstützung und Entlastung im Alltag und haben in der Regel verschiedene Kultur- und Sportmöglichkeiten im Programm. Ehrenamtliche Helfer aller Altersgruppen kümmern sich um die Organisation. Durch Kooperationen mit der lokalen Wirtschaft, Schulen und ansässigen Vereinen haben sich die Häuser in vielen Kommunen mittlerweile zur treibenden Kraft des bürgerschaftlichen Engagements etabliert und tragen damit zu einer positiven Stadtentwicklung bei.
Staatliche Förderung dank Aktionsprogramm 2017
Bundesweit gibt es bereits rund 550 solcher Mehrgenerationenhäuser, fast alle Landkreise und kreisfreien Städte verfügen über eine entsprechende Einrichtung – gefördert werden sie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Im Rahmen des Aktionsprogramms „Mehrgenerationenhaus“, das am 01. Januar 2017 startete, stellt die Regierung den Häusern pro Jahr rund 14 Millionen Euro zur Verfügung. Die Schwerpunkte des aktuellen Programms liegen auf der Gestaltung des demografischen Wandels und der Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte.
Zusammenfassung:
- Die Menschen werden immer älter, viele Senioren möchten ihre Zeit nutzen und sich engagieren.
- Berufstätige mit Kindern sehen sich vor der Herausforderung, Job und Familie zu vereinen.
- Mehrgenerationenhäuser bieten eine Lösung für alle Generationen, da das soziale Miteinander und die gegenseitige Unterstützung im Mittelpunkt stehen.
- Die einzelnen Wohnungen sind den Bedürfnissen der Bewohner angepasst, die räumlichen Gegebenheiten sind auf das soziale Leben miteinander ausgerichtet.
- Häufig sind die Gebäude gut ausgestattet und erfüllen beispielsweise hohe energetische Standards.
- Mehrgenerationenhäuser stärken die soziale Infrastruktur einer ganzen Kommune.
- Die Bundesregierung unterstützt Mehrgenerationenhäuser mit einem Aktionsprogramm.