Zwischen Renommee und Rendite
Öffentlich-rechtliche Einrichtungen als Gewerbemieter
Die Stadtbibliothek im Einkaufscenter oder das kommunale Kino mitten in der City ist praktisch, denn so lässt sich Kulturgenuss mit Shopping auf kurzem Weg verbinden. Statt nerviger Parkplatzsuche, die gegebenenfalls nötig wäre, um beides zu erledigen, fährt man einmal hin und alles ist drin, sozusagen. Längst sind gemischt genutzte Immobilien mit sowohl gewerblichen als auch öffentlich-rechtlichen Mietern kein Novum mehr, denkt man etwa an das Mercado in Hamburg-Altona, in dem neben 60 Geschäften und 75 Wohnungen seit 1998 auch eine Bücherhalle auf 1.200 m² untergebracht ist oder an das Metropolis Kino, das sich auf 830 Quadratmetern im Untergeschoss der gleichnamigen Büroimmobilie “Metropolis-Hauses” unweit des Hamburger Gänsemarktes befindet.
Filmtheater im Immobilienfonds
Überhaupt, das Metropolis. Das Kino ist die erste Adresse für ambitionierte Cineasten in der Elbmetropole. Das Programm des seit 1952 bestehenden Lichtspieltheaters reicht von amerikanischen Screwball-Komödien über anspruchsvolle Dokumentarfilme bis zu bizarren Science-Fiction-Streifen aus aller Welt. Bis zu vier Filme flimmern täglich über die Leinwand, die Hälfte davon analog über einen 35-Millimeter-Projektor. Im November 2011 feierte die zu zwei Dritteln von der Hamburger Kulturbehörde subventionierte Institution im neu gebauten “Metropolis-Haus” in der Dammtorstraße ihre Wiedereröffnung, nachdem das überalterte Gebäude, in dem sich das Kino zuvor an gleicher Stelle jahrzehntelang befand, in 2008 abgerissen worden war. Prunkstück ist der denkmalgeschützte Kinosaal, der das cineastische Vergnügen zusätzlich zum Erlebnis macht.
Der Cineasten-Tempel ist beliebter denn je. Sogar die Elbphilharmonie nutzt den repräsentativen Ort, um Musikfilme in stilvollem Ambiente zu zeigen. Die Bauherren (ein Konsortium aus Hochtief Projektentwicklung, Norddeutsche Grundvermögen und Frank Beteiligungsgesellschaft) des rund 19.000 Quadratmeter umfassenden DGNB-zertifizierten Gebäudes sind stolz auf die bauliche Besonderheit. Weitere Mieter sind unter anderem Vattenfall, XING, die Restaurantkette Jim Block und das dänische Designer-Möbelhaus Bolia. Seit 2013 gehört die Immobilie der Deka, die das Objekt für 93 Millionen Euro für ihren Immobilienfonds “Europa” gekauft hat.
Mietvertragszeiten werden kürzer
Nicht nur für Stadtbewohner ist eine öffentlich-rechtliche Institution in Lauflage ein Gewinn. Auch für gewerbliche Vermieter sind Behörden, Botschaften, Bildungsträger, kulturelle und soziale Einrichtungen als Mieter von Vorteil. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Mietvertragslaufzeiten am Gewerbeimmobilienmarkt in den Jahren nach der Finanzkrise deutlich verkürzt haben, sind sie attraktive Kandidaten. Lagen die Laufzeiten zu Beginn der 2000er-Jahre im Bürosegment noch bei durchschnittlich rund sieben und im Einzelhandel bei etwa zehn Jahren plus Verlängerungsoption, liegen sie heute im Schnitt bei 4,5 bzw. 5 Jahren. Allenfalls Ankermieter in Shoppingcentern würden längerfristige Mietverträge unterzeichnen, so das Beratungsunternehmen bulwiengesa.
Als langfristige Mieter beliebt
Anders kommunale oder staatliche Einrichtungen, die bei der Objektwahl meist langfristig orientiert sind. Ein Mietvertrag über lediglich eine halbe Dekade würde für eine Schule oder ein Forschungsinstitut auch wenig Sinn machen. Nicht selten binden sie sich über Jahrzehnte an einen Standort und sichern dem Vermieter damit stetige Mieteinnahmen. Aufgrund der dadurch entfallenden kostenintensiven Neuvermietung verringern sich für den Vermieter die Verwaltungskosten. Und da dauerhafte Zahlungsströme die wichtigste Kenngröße für die Wertermittlung einer Immobilie sind, wirkt sich die öffentlich-rechtliche Mieterschaft auch darauf positiv aus.
Steuerliche Besonderheiten beachten
Dennoch haben Investoren und Gebäudeeigentümer gewisse Dinge zu beachten, damit das Verhältnis von Renommee zu Rendite bei der Vermietung an einen Mieter der öffentlichen Hand ausgewogen ist - und bleibt. Vor allem umsatzsteuerliche Aspekte gilt es zu berücksichtigen, damit das Finanzamt später keinen bösen Brief schickt und die Kalkulation nachträglich in sich zusammenfällt. Ein kurzer Ausflug in die Steuerpraxis hilft, den Hintergrund zu verstehen: Grundsätzlich ist die Vermietung und Verpachtung bis auf wenige Ausnahmen nicht umsatzsteuerpflichtig. Häufig machen gewerbliche Vermieter jedoch von der Option Gebrauch, auf ihre Mieteinkünfte Umsatzsteuer zu entrichten, um den Vorteil des Vorsteuerabzugs nutzen zu können. Investiert ein Vermieter in sein Gewerbeobjekt, etwa in eine Instandhaltungsmaßnahme, kann er sich so die Umsatzsteuer, die er an die Baufirmen gezahlt hat, per Vorsteuerabzug vom Finanzamt zurückerstatten lassen. So weit, so gut.
Weitsichtige Eigentümer sorgen vor
Doch jetzt kommt es: Dieser Vorteil entfällt, wenn der Mieter Leistungen anbietet, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen, was bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (als nicht-unternehmerische Organisationen) für gewöhnlich der Fall ist. Dann ist der Vermieter nicht berechtigt, die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen. Der bleibt also auf dem Betrag sitzen. Ein vertracktes Konstrukt, das dazu geführt hat, dass öffentlich-rechtliche Mieter von der Branche abwertend als “Umsatzsteuer-Schädlinge” bezeichnet werden. Dabei müssen sie keineswegs zum Nachteil eines Vermieters sein, wenn dieser sich auf die mit ihnen verbundenen steuerlichen Besonderheiten einstellt und das Mietverhältnis vorausschauend vertraglich gestaltet, zum Beispiel durch eine entsprechende Mietkalkulation oder eine zugesicherte Mietdauer.
Der Fiskus kennt kein Pardon
Was geschehen kann, wenn bei der Vermietung steuerliche Aspekte unberücksichtigt bleiben, hat jüngst die diplomatische Vertretung Nordkoreas in Berlin erfahren. Diese hatte auf ihrem Botschaftsgelände in der Klinkastrasse über Jahre ein Hostel mit 435 Betten an einen privaten Betreiber verpachtet, ohne für die daraus resultierenden Einnahmen Steuern zu zahlen (Quelle). Rund 10 Millionen Euro fordert das Land Berlin nun von Pjöngjang und beruft sich dabei auf das sogenannte “Wiener Übereinkommen”, wonach konsularische Vertretungen ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden dürfen. Laut Medienberichten stottern die Nordkoreaner die Summe jetzt monatlich mit 7.000 Euro ab.
Dass hiesige Vermieter in eine ähnliche Steuerfalle tappen, ist höchst unwahrscheinlich. Viel eher ist vorstellbar, dass öffentliche Mieter im Zuge von Mix-used-Immobilienprojekten weiter an Relevanz gewinnen. Denn wer hätte nicht gerne ein Kino oder ein Museum in seinem Mieter-Portfolio, wo öfters der rote Teppich für Prominenz aus Kunst und Kultur ausgerollt wird.