PropTechs in der Immobilienwirtschaft: Strategische Partner für die digitale Transformation
Das Wichtigste im Überblick:
• PropTech-Lösungen decken die gesamte Wertschöpfungskette ab.
• Einsatzfelder und Anbieter im Überblick.
• Weltweit wird in PropTechs investiert.
• Building Informationen Modeling (BIM) auf dem Vormarsch.
Nachdem die Digitalisierung auch konservative Wirtschaftszweige wie die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche erreicht hat, setzt sich der Trend in der Immobilienwirtschaft durch sogenannte “PropTechs” fort. Das Kunstwort ist eine Zusammensetzung aus dem Englischen “property” für Immobilie und “technology” für Technologie und steht für technologieorientierte Jungunternehmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen auf die Immobilienwirtschaft fokussieren. War die Zahl der Start-ups in 2016 noch überschaubar, gibt es hierzulande inzwischen weit über 300 Anbieter von softwarebasierten Lösungen, die sich mit den Themen Vermietung, Verwaltung, Verkauf, Marktanalyse, Planung und Konstruktion beschäftigen und jede Stufe der Wertschöpfungskette bzw. jede Phase des Lebenszyklus einer Immobilie berühren. Europaweit soll es über 1.500 PropTechs geben.
PropTech-Landschaft in Bewegung
Logistikimmobilien in Innenstädten anzusiedeln, ist keineswegs trivial. Anders als Objekte in Gewerbegebieten, die häufig am Reißbrett entstehen, müssen City-Logistik-Konzepte in bestehende teils höchst verdichtete Strukturen integriert werden. Eine permanente Betriebserlaubnis zu erhalten ist dabei nur eine Herausforderung. Zustelldienste wie DHL, UPS und Hermes tüfteln seit geraumer Zeit an Lösungen, um Pakete effizient durch das Dickicht von Großstädten zu transportieren. Vom autonom fahrenden PostBOT bis zur Drohne wurde vieles ausprobiert und wieder auf Eis gelegt. Etabliert hat sich bisher lediglich die Zustellung per Lastenfahrrad. Als Abholdepots für Sendungen, die nicht direkt zugestellte werden können, fungieren Partnershops wie 24-Stunden-Kleinsupermärkte (sogenannte “Spätis”), Lotto-Läden und Nähstübchen sowie elektronisch gesicherte Packstationen. Noch mögen Spätis & Co. für alle Beteiligten eine bequeme Lösung sein. Angesichts der wachsenden Bestellmenge und der immer schnelleren Umschlaggeschwindigkeit dürfte an professionellen Logistikimmobilien innerhalb von Städten jedoch kein Weg vorbeiführen.
Pilotprojekt in Berlin
Trotz der großen Vielzahl haben die meisten PropTech-Lösungen eines gemeinsam: Sie optimieren bestehende in sich abgeschlossene Geschäftsprozesse, indem sie Arbeitsabläufe digitalisieren und idealerweise bereichsübergreifend miteinander verzahnen. Damit ergänzen sie das Angebot etablierter Softwarehersteller, die branchenspezifische Programme für die Immobilienwirtschaft offerieren. Die große Herausforderung besteht für Immobilienunternehmen darin, sich einen Überblick über die dynamische PropTech-Landschaft zu verschaffen, die Entwicklungen ständig im Blick zu behalten und die Lösungen systematisch auf ihre Anwendungsmöglichkeiten zu analysieren. Umfassende Informationen bieten die 2016 gegründete German PropTech Initiative (GPTI), der DACHverband Proptech e.V. und der Bundesverband Deutsche Start-ups, die neben der Interessenvertretung auch Networking-Events organisieren. Zudem hat sich die während der Expo Real stattfindende Tech Alley im Rahmen des Real Estate Innovation Forums zu einem stark frequentierten Meeting-Point entwickelt.
Einsatzfelder im Überblick
Allgemein lassen sich die angebotenen PropTech-Lösungen in vier Bereiche unterteilen:
Kooperation statt Disruption
Das Potenzial einer Lösung lässt sich nicht zuletzt an den strategischen Partnerschaften zwischen PropTech und Immobilienunternehmen erkennen: Beispielsweise ist an Architrave, das eine Onlineplattform für das Immobilien-Asset-Management entwickelt hat, neben den Fondshäusern Union Investment und Deka inzwischen auch der Projektentwickler Art-Invest Real Estate beteiligt. In KIWI, dem Anbieter eines digitalen Türschließsystems, investiert die Deutsche Wohnen AG. Die LEG Immobilien AG hat Anteile an DOOZER erworben, um an der Weiterentwicklung der gleichnamigen Onlineplattform aktiv mitzuwirken, die ein modernes Handling von Sanierungs- und Modernisierungsprojekten ermöglicht. Außerdem kooperieren immer mehr Jungunternehmen untereinander, so etwa 21st Real Estate (Onlineplattform für Ankaufprozesse) mit Maklaro (Onlineplattform für Immobilienverkauf), Roomhero (Onlineplattform für Möblierung) mit Wohnungshelden (Onlineplattform für Vermietungsprozess) sowie Allthings (Onlineplattform für Vermietungsprozess) mit MOVU (Umzugsplattform).
Weltweiter Wachstumsmarkt
Welches Marktpotenzial PropTechs zugeschrieben wird, verdeutlichen die Beträge, die Wagniskapitalgeber (auch Venture Capitalists oder kurz “VC” genannt) in Neugründungen investieren: Auf rund 15 Milliarden US-Dollar beliefen sich die in 2018 weltweit getätigten Investitionen. Drei Jahre zuvor waren es gerade einmal 1,7 Milliarden US-Dollar. Vor allem amerikanische und asiatische Investoren spekulieren mit enormen Summen. Prominentes Beispiel ist der US-Milliardär George Soros, der über sein Soros Fund Management gemeinsam mit dem japanischen Technologiefonds Softbank und dem kanadischen Pensionsfonds CPP über 1,5 Milliarden US-Dollar in das Start-up Katerra investiert hat. Die Lösung des erst 2015 gegründeten Bauunternehmens mit Sitz im Silicon Valley ist von Toyota inspiriert, bei dem ein Bauprojekt wie die Massenproduktion eines Autos funktionieren soll. Vom architektonischen Design über die Planung und Konstruktion der Bauteile bis zur schlüsselfertigen Realisierung bietet Katerra alles aus einer Hand.
Digital planen, schneller bauen
Das Vertrauen in Katerra kommt nicht von ungefähr. Überall auf der Welt sind digitale Lösungen gefragt, die Planungs- und Bauprozesse vereinfachen. Seit kurzem wird die Softwarelösung des PropTech in Indien eingesetzt, um Gebäude mit zig Millionen Quadratmetern Fläche in wenigen Monaten zu errichten. Das zum Einsatz kommende Baumaterial ist Holz, ein Werkstoff, der sich bestens für die serielle Vorfertigung eignet. Von der computergestützten Zeichnung über das Zuschneiden der Module bis zur Markierung, welche Teile miteinander zu verbinden sind, werden alle notwendigen Arbeitsschritte mit Hilfe von Katerra erledigt. Vor Ort müssen die Bauteile dann noch entsprechend zusammengesteckt werden - (fast) fertig ist das Stadtquartier. Zwar liegen die Erstellungskosten zur Zeit noch bis zu 15 Prozent höher. Dieses Manko wird jedoch durch die äußerst kurze Bauzeit ausgeglichen. In Betonbauweise würde für das gleiche Volumen ein Vielfaches an Zeit benötigt. 30 Bauprojekte haben die kalifornischen Baumeister bis Ende 2020 auf dem Subkontinent in der Pipeline, weitere sollen folgen.
BIM nimmt in Deutschland Fahrt auf
Auch in Deutschland ist digitales Planen und Bauen auf dem Vormarsch. Building Information Modeling (BIM) heißt die Methode, bei der zunächst ein Computermodell von einem Gebäude erstellt wird (“digitaler Zwilling”), um das Geplante auf seine Machbarkeit und Funktionalität zu überprüfen. Erst wenn digital zu 100 Prozent alles plausibel ist, wird real mit dem Bau begonnen. So werden Prozesse verschlankt, Kosten gesenkt und Projektzeiten verkürzt. Zudem lassen sich Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hindurch transportieren und für vielfältige Zwecke verwenden. Für die Zusammenarbeit der am Bau Beteiligten eröffnet BIM völlig neue Wege und wird das Bauen revolutionieren. Ein Blick in die Niederlande, nach Skandinavien, Frankreich, Großbritannien und Belgien, wo BIM seit Jahren bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben eingesetzt wird, macht deutlich: Die Frage ist nicht, ob sich BIM hierzulande durchsetzt, sondern wie schnell.Der Stufenplan “Digitales Planen und Bauen” des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sieht vor, dass ab 2020 alle Infrastrukturprojekte ab einer bestimmten Größe ausschließlich mit BIM zu planen und zu bauen sind. Um die Einführung von BIM für öffentliche Auftraggeber zu erleichtern werden aktuell Leitfäden, Muster und Handreichungen entwickelt. Verantwortlich für die Umsetzung des Stufenplans ist die Arbeitsgemeinschaft “BIM 4 INFRA 2020”. Dem Mittelstand steht das bundesweit vertretene “Kompetenzzentrum Planen und Bauen” als praxisnaher Ratgeber beim Thema BIM zur Seite.
Gesamtes Potenzial der Digitalisierung ausschöpfen
Mehr als die Hälfte der kürzlich für die Studie “Digitalisierung der deutschen Bauindustrie” befragten 100 Unternehmen aus den Bereichen Planung, Bau und Anlagenbau hat bereits Erfahrung mit BIM. Überdies beabsichtigen knapp 40 Prozent eine BIM-Strategie zu erarbeiten. Welche baulichen Qualitäten und technischen Funktionalitäten sich mittels BIM erzielen lassen, beweisen die Bürogebäude, die der Projektentwickler OVG unter der Marke “The Edge” aktuell in der Hamburger HafenCity und in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs errichtet. Dank BIM entstehen dort “Intelligenzbestien in Beton”, in denen jede Menge von PropTechs entwickelte Software verbaut wird, die zukünftig einen vorausschauenden Gebäudebetrieb ermöglicht, der wiederum für ein modernes Immobilienmanagement notwendig ist. Demnach sind PropTechs wichtige strategische Partner auf dem Weg der digitalen Transformation. Wertvolle Impulsgeber sind sie allemal.
Quellen:
- https://bim4infra.de/wp-content/uploads/2018/02/stufenplan-digitales-bauen.pdf
- https://bim4infra.de
- https://www.kompetenzzentrum-planen-und-bauen.digital/
- https://www.pwc.de/de/digitale-transformation/digitalisierung-der-deutschen-bauindustrie-2019.pdf
Text: Dagmar Hotze, Hamburg
Bilder: Shutterstock.com