Offene Immobilienfonds: Wohin mit dem Geld, wenn die Objekte fehlen?
5 Fragen an Frau Sonja Knorr, Leiterin der Analyse für Alternative Investments bei der Scope Analysis GmbH
Dagmar Hotze: Frau Knorr, in Ihrer kürzlich veröffentlichten Marktstudie haben Sie Offene Immobilienfonds ausführlich untersucht. Auffällig ist, dass die Mittelzuflüsse zwar strömen wie nie und Hochstimmung bei Anbietern und Investoren herrscht, aber keiner weiß, wohin mit dem eingesammelten Kapital. Werden einige Fonds in absehbarer Zeit eventuell erneut schließen, damit die Liquiditätsquote nicht noch weiter steigt?
Sonja Knorr: Zahlreiche Anleger betrachten offene Immobilienfonds im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld als lukrative Anlage. Zwar liegt die Performance der Fonds aktuell nur bei durchschnittlich 2,7% p. a. Dennoch liegt sie deutlich über dem Niveau, das sich derzeit mit Rentenpapieren von Emittenten hoher Bonität erzielen lässt. Im vergangenen Jahr ist die durchschnittliche nach Fondsvermögen gewichtete Bruttoliquiditätsquote der Publikumsfonds auf fast 23% angestiegen (Stand 31.12.2016).
Zahlreiche Fonds haben daraufhin die Mittelzuflüsse reglementiert, nehmen also schlicht keine Anlegergelder mehr an. Derzeit reglementieren tatsächlich zahlreiche Fondsmanager die Mittelzuflüsse in ihre Fonds. Die Reglementierung der Mittelzuflüsse kann verschiedene Formen annehmen. Zum Teil geben Fondsmanager nur gewisse Kontingente in den Vertrieb. Andere Fonds nehmen lediglich dann neue Mittel an, wenn Objektankäufe unmittelbar bevorstehen.
Büroimmobilien im Core-Segment sind in Europa kaum zu finden
Dagmar Hotze: Aufgrund der sprudelnden Mittelzuflüsse müssen die großen Fondsanbieter beträchtliche Summen anlegen. Wie soll das gehen, wenn auch in B-Städten das Angebot an passenden Objekten immer geringer wird?
Sonja Knorr: Wie erwähnt, haben viele Fonds aufgrund der hohen Anlegernachfrage die Mittelzuflüsse reglementiert, um aufgrund des Anlagedrucks nicht Objekte um jeden Preis zu erwerben. Gänzlich zurückhalten können sie sich in Anbetracht der Liquiditätszufuhr jedoch nicht. Daher kaufen sie auch im derzeit teuren Marktumfeld vergleichsweise hohe Volumina an. Im klassischen Core-Büro-Segment in Europa wird es zunehmend schwieriger, geeignete Objekte zu finden. Fondsmanager reagieren darauf, indem sie auf alternative Immobilienmärkte wie die USA, auf alternative Segmente wie Hotelimmobilien oder B-Städte oder B-Lagen ausweichen. Auch Projektentwicklungen sind eine weitere Möglichkeit, die bei der Investition genutzt wird, aber auch mit höheren Risiken verbunden ist.
Dagmar Hotze: Etliche planen neue Fondsprodukte aufzulegen, damit sie die Nachfrage bedienen können. Welche Immobilienarten kämen hierfür in Frage?
Sonja Knorr: Gemäß unserer letzten Umfrage vom Mai dieses Jahres stehen die Befragten den offenen Immobilienfonds positive Aussichten zu. Aber der Ruf nach neuen Produkten, nicht zuletzt auch aufgrund der Einschränkungen der Verfügbarkeit der Altfonds. Fast die Hälfte (48%) der Befragten hält die Auswahl an Fonds für zu gering. Das ist im Vergleich zur letzten Marktbefragung vor zwei Jahren eine deutliche Steigerung: Damals waren nur rund 30% der Umfrageteilnehmer mit der Produktauswahl nicht zufrieden.
Um sich aber von den großen diversifizierten Produkten abzusetzen, kommen hier nur spezialisierte Produkte/Strategien in Frage. So werden beispielsweise segmentfokussierte Fonds für Wohnimmobilien, Studentenwohnen oder begrenzt auf einige wenige Nutzungsarten (Büro & Einzelhandel, Wohnen & Gesundheit) oder Fonds mit einer spezialisierten Strategie auf Nachhaltigkeit oder führende Metropolen aufgelegt.
Platzhirsche nehmen Wohnimmobilien ins Visier
Dagmar Hotze: Wie verhält es sich mit Investments in den lukrativen Wohnimmobilienmarkt? Verfügen die großen Fondsanbieter, die normalerweise in Gewerbeobjekte investieren und diese managen, dafür über das nötige Know-how im Haus oder müssen sie die Leistung zukaufen?
Sonja Knorr: Hier sind bereits spezialisierte Anbieter, wie Wertgrund oder Industria aktiv. Aber auch die Platzhirsche haben ein Auge auf dieses Segment geworfen. Hierbei sind eine klare Spezialisierung und Mitarbeiter vor Ort, die an den Wohnimmobilienbeständen arbeiten allerdings unumgänglich. Die Union Investment hat es vorgemacht und ist ein Joint Venture mit der ZBI eingegangen. Weitere Anbieter könnten folgen.
Digitalisierung für Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung
Dagmar Hotze: Stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen Offene Immobilienfonds zukünftig ihre Rendite verbessern wollen, angesichts von Objektflaute, Kostendruck und Erwartungshaltung von Seiten der Anleger? Durch das Eingehen höherer Risiken, also business as usual? Oder auch durch die Optimierung interner Prozessen, etwa durch den Einsatz digitaler Technologien.
Sonja Knorr: Die Rendite im aktuellen Marktumfeld zu verbessern, ist ein schwieriges Unterfangen. Die Assetpreise sind hoch und die Liquiditätsverzinsung ist im besten Falle nur leicht positiv.
Neue Fonds versprechen eine höhere Rendite, gepaart mit einem höheren Abwertungsrisiko für ihre Assets. Sie kaufen auf der einen Seite in der Hochpreisphase ein, aber sie können auf der anderen Seite mit geringeren Liquiditätsquoten agieren. Allerdings drohen den zu Hochpreiszeiten aufgelegten Fonds während einer Abschwungphase der Märkte Abwertungen der Immobilienbestände. Die Altfonds auf der anderen Seite haben oftmals Bewertungsreserven, da die für die Bewertung der Objekte zuständigen Immobiliensachverständigen die Zyklusspitzen oftmals nicht in gleichem Maße mitgehen. Ein klarer Vorteil für diese Fonds, die nicht nur jüngst erworbene, voll von einer Abwertung betroffene, Gebäude in ihren Portfolios haben.
Das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit spielt natürlich bei den Immobilieninvestoren auch eine immer zentralere Rolle. Hier sind aus aktueller Beobachtung aber noch keine signifikanten Renditesteigerungen erkennbar. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Immobilien und Kapitalmarktprodukten werden diese Themen zukünftig aber von zentraler Bedeutung sein.
Dagmar Hotze: Frau Knorr, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.
Zur Person:
Sonja Knorr wuchs im Berliner Umland auf und lebt nun in Zeuthen, südlich von Berlin. Bevor sie an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft ihr Betriebswirtschaftsstudium mit dem Schwerpunkt Immobilien anfing, war Sonja Knorr bereits 1999 im Vertrieb und in der Verwaltung von Immobilien tätig. Um das Thema Immobilienentwicklung und Raumplanung näher eingehen zu können hat Sonja Knorr im Jahr 2001 ein Praxissemester bei einem Immobilienbüro mit angeschlossener Hausverwaltung in Berlin absolviert. 2003 schloss sie ihr Studium als Diplom-Kauffrau (FH) mit der Abschlussarbeit über das Rating Offener Immobilienfonds ab. Danach stieg Knorr direkt in den Familienbetrieb ihrer Eltern ein. Sonja Knorr ist seit Februar 2005 als Senior Analyst für die Ratingagentur Scope tätig.
Quellen:
- Interview: Dagmar Hotze, Hamburg