Was man über Insolvenzen bei Immobilienprojekten wissen sollte
Projektausfall bedeutet nicht zwingend den Worst Case - Streuung ist besonders wichtig
- Projektausfall bedeutet nicht zwingend den Worst Case
- Ständiges Marktbeobachten schützt vor unliebsamen Überraschungen
- Gläubiger müssen ihre Forderung dem Insolvenzverwalter proaktiv melden
- Freihändiger Verkauf ermöglicht neue Chancen für das Projekt
- Infolge der Corona-Krise könnten notleidende Immobilienprojekte zunehmen
- Risikostreuung durch Diversifikation
Wenn sich eine zuvor als sicher geglaubte Geldanlage im Nachhinein als Luftnummer erweist, ist der Ärger groß. Bestimmt erinnern sich die Älteren noch an den Absturz der Telekom-Aktie im Mai 2000, nachdem das Wertpapier nur wenige Monate zuvor zum Höhenflug angesetzt hatte, wovon sich viele Privatanleger zusätzlich locken ließen, in die „Volksaktie“ zu investieren. Nicht wenige waren so vermessen, ihre gesamten Ersparnisse darin anzulegen, in der Erwartung, sicher für das Alter vorzusorgen. Dann kam der Crash. Quasi über Nacht wurden aus 130 Euro pro Aktie 60 Euro. In 2002 lag der Wert bei nicht einmal 10 Euro. Fast 2 Millionen Privatanleger verloren ihr Geld. In Summe belief sich der Verlust auf rund 300 Milliarden Euro. Über 15 Jahre wurde vor Gericht über Schuld und Schadenersatz gestritten. Geblieben sind ein bitterer Nachgeschmack und eine große Skepsis gegenüber Aktien als Anlagemöglichkeit für Otto Normalbürger. Doch auch Investitionen in Immobilien sind nicht ohne Fehlschläge. Auch hierbei gilt mit Bedacht zwischen Chancen und Risiken abzuwägen.
Den Markt immer im Blick behalten
Hat man als Kapitalgeber eines nachrangigen Darlehens das Pech, von einem insolventen Immobilienprojekt betroffen zu sein, muss das jedoch nicht zwingend den Worst Case, sprich den Totalverlust, bedeuten. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Gewiss ist ein Projektausfall der Supergau. Eigentlich vermutete man sein Geld sicher anlegt. Alles wirkte durchdacht. Der zu erwartende Gewinn war schon verplant. Plötzlich kreist der Pleitegeier über dem Bauvorhaben. Und nun? Zunächst geht alles seinen formalen Gang: Nachdem vom Amtsgericht geprüft wurde, ob der gestellte Insolvenzantrag berechtigt ist, wird das Verfahren eröffnet. Ab dann ist der eingesetzte Insolvenzverwalter der Ansprechpartner. Ihm obliegt, das verbliebene Vermögen zu sichern und die angemeldeten Forderungen der Gläubiger gemäß ihrer Rangfolge zu befriedigen. An erster Stelle steht immer der Fiskus, danach folgt die Bank (oder auch mehrere), dann kommen die einzelnen Gläubiger, am Schluss stehen die Nachrangdarlehensgeber. So weit, so schlecht. Zu beachten ist, dass nur Forderungen von Gläubigern berücksichtigt werden, die ihren Anspruch proaktiv dem Insolvenzverwalter mitteilen. Wer sich nicht kümmert – weil er zu spät oder vielleicht nichts von der Pleite wusste – riskiert leer auszugehen. Ständiges Marktbeobachten sollte deshalb für private Anleger genauso zur Routine gehören, wie es für professionelle Immobilieninvestoren Pflicht ist, um ständig über Entwicklungen und Veränderungen am Immobilienmarkt auf dem Laufenden zu sein und so eventuell entstehende Risiken für das investierte Kapital frühzeitig erkennen zu können. Je besser man selbst den Markt scannt, um so weniger läuft man Gefahr, böse von einem Ereignis überrascht zu werden.
Freihändiger Verkauf bietet neue Chance
Weil in der Regel keiner der Gläubiger auf Geld verzichten will und/oder kann, drängt jeder darauf, seine gesamte Forderung zurückzuerhalten. Der Insolvenzverwalter muss also eine Lösung finden, die möglichst viel Geld in die Kasse spült. Die naheliegendste Option ist, das notleidende Projekt einer Verwertung zuzuführen, erst recht, wenn es über Potenzial verfügt, beispielsweise in einer begehrten Lage liegt, ein marktgängiges Nutzungskonzept hat oder durch eine außergewöhnliche Architektur besticht. Schließlich ändert die momentane finanzielle Misere nichts an den generell vorhandenen Qualitäten. Im Gegenteil. Gerade wegen dieser Vorzüge wird weiterhin ein Interesse an der Realisierung bestehen, nur von und mit anderen Partnern. Eine Möglichkeit, wenn auch nicht die beste, ist, es per Zwangsversteigerung zu verkaufen. Wer allerdings in Not verkauft, muss Preisabschläge akzeptieren. Und gerade das soll ja vermieden werden. Die bessere Alternative ist der freihändige Verkauf, idealerweise an einen Projektentwickler, der das Bauvorhaben seinerseits fortführt. Gelingt ein lukrativer Verkauf, bekommt nicht nur das Projekt eine zweite Chance, sondern auch die Geber von Nachrangdarlehen, ihr eingesetztes Kapital wiederzusehen. Denn je höher die Kaufsumme, um so größer die Chance, dass der Betrag ausreicht, um die Forderungen aller Gläubiger zu befriedigen.
Notleidende Immobilien sind eigene Anlageklasse
Ungewöhnlich ist der Handel mit notleidenden Immobilienprojekten nicht. Im breiten Spektrum der Immobilienanlageklassen haben sie ihren festen Platz. Allerdings befassen sich zugegebenermaßen eher Immobilienprofis mit sogenannten „non-performaning loans“ (auch als NPL bezeichnet) denn Privatanleger. Prominente Immobilienprojekte mit Schwierigkeiten waren etwa die Sanierung der prachtvollen Mädler-Passage in Leipzig Anfang der 1990iger Jahre durch den berühmt-berüchtigten Baulöwen Jürgen Schneider (https://www.deutschlandfunk.de/vor-20-jahren-der-niedergang-des-bauloewen-juergen-schneider.871.de.html?dram:article_id=346334) und die Neunutzung des riesigen Gebäudekomplexes von Prora (https://www.dw.com/de/der-koloss-von-prora-von-der-nazi-ruine-zum-ferienort/a-50181865) auf der Ostseeinsel Rügen. Je beliebter Investieren in Immobilien bei privaten Kleinanlegern in Form von Nachrangdarlehen wird, um so mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch sie – wie Profiinvestoren - von Fehlschlägen betroffen sein werden und deshalb wissen sollten, wie sie das damit verbundene Procedere professionell handhaben. Laut einer aktuellen Prognose der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing könnte das Volumen notleidender Immobilienkredite in Deutschland infolge der Corona-Krise von 33 Milliarden Euro in 2019 auf bis zu 100 Milliarden Euro anwachsen. In 2007 - ein Jahr vor der Finanzkrise - lag die NPL-Quote bei 2,7 Prozent. In der Finanzkrise stieg sie dann auf 3,3 Prozent, sank danach aber wieder ab und liegt derzeit bei 1,3 Prozent. Da im Unterschied zur Finanzkrise, von der nur die Finanzindustrie betroffen war, von der Corona-Krise alle Branchen betroffen sind, dürfte die Quote nach Schätzungen der Experten wieder steigen. Schon jetzt sei die Bonität vieler Mieter spürbar belastet. Ebenfalls fraglich wäre, ob der Boom auf den Immobilienmärkten in dieser unsicheren Situation anhält (https://bks-ev.de/den-bankbilanzen-droht-grosses-ungemach/).
Wer sein Geld breit streut, minimiert Risiken
Demnach sollte jeder Privatanleger, der mit dem Gedanken spielt, sein Geld per Nachrangdarlehen in ein Immobilienprojekt zu investieren, dessen Chancen und Risiken genauesten überprüfen und überlegen, ob diese mit den gesteckten Investmentzielen konform gehen. Möchte man lieber auf Nummer sicher gehen und verzichtet dafür auf ein paar Prozentpunkte oder möchte man möglichst viel Rendite und nimmt dafür ein größeres Risiko in Kauf, frei nach dem Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt? Ausführlich über Do’s and Dont’s beim Thema Geldanlage informiert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihrer Broschüre “Grundregeln der Geldanlage” (www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschuere/dl_b_Grundregeln_Geldanlage.html). Welche Strategie die richtige ist, muss letztlich jeder für sich entscheiden. Ebenso mit Bedacht sollte über die Höhe des investierten Geldes entschieden werden. Das eingangs erwähnte Beispiel der Telekom-Aktie, in die tausende Anleger – ob aus Gier, Unwissenheit oder falschem Vertrauen - ihre ganzen Ersparnisse investiert haben, zeigt, dass man niemals das gesamte Vermögen in nur ein Anlageprodukt steckt, sondern es immer streuen sollte. Wird so vorgegangen, lässt sich ein Teilbetrag sicherlich in Form eines Nachrangdarlehens zur Finanzierung eines Immobilienprojektes anlegen. Gerät das Vorhaben dann aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in die Schieflage, ist das zwar immer noch ärgerlich, lässt sich aber besser verkraften.