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Wohnimmobilienmärkte jenseits von A- und B-Städten

5 Fragen an Herrn Prof. Dr. Tobias Just, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie GmbH.

Dagmar Hotze: Herr Prof. Dr. Just, in Ihrer kürzlich erschienenen Studie „Wie heterogen sind deutsche Städte? Zur Segmentierung deutscher Wohnimmobilienmärkte“ haben Sie untersucht, ob die bisher gültige Einteilung in A-, B-, C- und D-Städte noch zutrifft. Was war der Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Prof. Dr. Tobias Just: Der Anlass war, dass ich mit meinem Mitarbeiter und Co-Autoren, Michael Heinrich, darüber gesprochen hatte, dass viele Menschen an das ABCD-Raster eine einfache Rendite-Risiko-Idee knüpfen, dass diese aber die Vielschichtigkeit der deutschen Städte unterschätzen könnte.

Dagmar Hotze: Warum ist eine Neusortierung notwendig? Coburg, Ulm und Bamberg zum Beispiel sind nach dem geläufigen Schema „D-Städte“, wo man sich als Anleger umguckt, wenn wirklich nichts mehr anderes da ist. Nach Ihrem Cluster gehören die Städte jedoch in die Kategorie „A“. Oder anders herum bei Bonn und Mannheim, die nach herkömmlichem Maßstab in die Kategorie „B“ fallen, nach Ihrer Untersuchung aber ein „D“ bekommen. Wie kann das sein?

Prof. Dr. Tobias Just: Das gängige ABCD-Schema ist wertvoll, da es die Unterschiedlichkeit der Städte auf wenige Parameter reduziert. Solche Informationsverdichtung hilft Anlegern, eine Auswahl zu treffen. Doch wir konnten in unserer Analyse zeigen, dass die Einteilung in erster Linie statische Aspekte der Marktgröße abbildet. Damit gehen aber dynamische Aspekte, die gerade für opportunistische Anleger interessant sind verloren. Wir haben also die Städte nach mehreren Kriterien sowohl nach ihrer herkömmlichen Einteilung gemäß Größe und zusätzlich nach einer Einteilung in Dynamik unterschieden.

Dagmar Hotze: Welche Faktoren sind ausschlaggebend dafür, dass das bestehende Schema überdacht werden sollte?

Prof. Dr. Tobias Just: Wir haben insgesamt 18 unterschiedliche Parameter untersucht. Das ging von Einwohnerzahl über Mietniveaus zu Beschäftigungsdaten und Kaufkraftdaten. Diese Daten wurden mit statistischen Methoden so verdichtet, dass möglichst homogene Gruppen entstanden. Für die statischen Faktoren bildete das gängige ABCD-Schema vor allem für die A-Städte ganz gut ab. Doch für die kleineren Städte gab es zum Teil spannende andere Zuordnungen.

Dagmar Hotze: Jetzt mal von der Anlegerseite her gedacht: Sich über Wohnimmobilieninvestments in A und mittlerweile auch in B-Städten zu informieren und daraus eigene Schlüsse zu ziehen, ist einfach. Woher aber sollen Anleger wissen, wie die Marktentwicklung in Landshut oder Schweinfurt ist? Muss nicht mehr Transparenz, Tiefe und Granularität in die Marktberichterstattung?

Prof. Dr. Tobias Just: Es ist wichtig, dass Anleger sich Gedanken machen, beim Immobilienkauf – egal, ob es nun private oder institutionelle Anleger sind – geht es ja nicht um Milch und Brot, sondern um zum Teil die größte Einzelinvestition eines Haushalts. Liquidität des Marktes ist wichtig, und diese wird über die Marktgröße abgebildet. Doch Liquidität ist gerade bei kleineren Städten nicht zwingend mit Stabilität der Rendite korreliert. Hier werden dynamische Faktoren rasch wichtiger als statische Faktoren. Hierzu lohnen dann Marktberichte. Der aktuelle Aufschwung könnte hier sogar zum Katalysator werden, weil mehr Investoren nach Anlagechancen in kleineren Städten suchen (müssen). Dies zwingt dann zu mehr Transparenz. Auch wenn es viele Immobiliendaten nicht einfach verfügbar gibt, so können sich doch selbst Kleinanleger die kostenlosen Daten zur Wirtschaftsdynamik in Städten aus der Regionalstatistik besorgen – oder zumindest ihre Berater. Sie müssen nicht zwingend die Clusterverfahren aus dem Doktorandenseminar kennen, ein paar Vergleich von Wachstumsraten in einzelnen Städten sind auf jeden Fall aufschlussreich.

Dagmar Hotze: Werden Sie Ihre neue Zuordnung weiter ausarbeiten? Ist vielleicht eine webbasierte Version geplant, wo Anleger sich interaktiv erkundigen können? Vielleicht sogar einige individuelle Investitionskriterien eingeben können, um dann zu sehen, wo sie regional am besten aufgehoben sind?

Prof. Dr. Tobias Just: Wir sehen diese Analyse als einen ersten Schritt. Grundlagenforschung ist kein Hundertmeterlauf. Es ist eher ein 3000-Meter-Hürdenstaffellauf. Es müssen die Methoden, Daten, Untersuchungszeiträume und Variablenauswahl verprobt werden. Unsere Analyse ist hier ein erstes Angebot und wir freuen uns auf weitere Staffelläufer, werden aber sicherlich auch noch weiter arbeiten.


Zentrale Aussagen:

  • Die ABCD-Segmentierung von Immobilienstandorten basiert vor allem auf statistische Parametern, dynamischen Aspekte werden ignoriert.
  • Die Anreicherung mit dynamischen Aspekten führt insbesondere für kleinere Städte zu einer abweichenden Kategorisierung. Dieses Ergebnis kann besonders für opportunistische Anleger interessant sein.
  • Die Grundlagenforschung von dynamischen Aspekten sollte weiterentwickelt werden, um Anlegern nachhaltige Kriterien an die Hand zu geben.

Zur Person:

Prof. Dr. Tobias Just ist wissenschaftlicher und geschäftsführender Leiter der IREBS Immobilienakademie und hat den Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg inne. Außerdem ist er Präsident der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V.

Quellen:

Fotograf: Thomas Plettenberg
Interview: Dagmar Hotze, Hamburg
Bild: Shutterstock, Igor Marx


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